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Gebeine in den Pariser Katakomben

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Nadar

Nadar (1820-1910), eigentlich Félix Tournachon, war wohl die interessanteste Photographen-Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts. Während andere Photographen für ihre Porträts gemalte Hintergründe, Ballustraden und dergleichen verwendeten, verzichtete Nadar ganz darauf. Er porträtierte ohne jeden Firlefanz mit Konzentration auf das Wesentliche. Zu seinen Kunden zählten zahlreiche berühmte Persönlichkeiten wie Charles Baudelaire, George Sand, Gioachino Rossini und Sarah Bernhardt.

Mit zwei neuen Techniken beschäftigte sich Nadar besonders, um ihre Tauglichkeit für die Anwendung in der Photographie zu erkunden: Die Elektrizität zur Herstellung von Photographien bei künstlichem Licht und die Luftschifffahrt zur Herstellung von Photographien aus der Sicht eines Vogels.

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Selbstporträt um 1865

Selbstporträt. Albumin-Silber-Print, Carte-de-visite, o.J. [um 1865]. / NADAR. – Karton Vorderseite (roter Druck): "N.". Rückseite (roter Druck): "Photographie du Grand Hotel" "Nadar" "35, Boulevard des Capucines.".

Photobibliothek.ch 13158

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Nadars drei Requisiten: Schreibfeder, Kamera und Ballon

LES HOMMES D'AUJOURD'HUI. Nadar. / Dessins de Gill. Texte de Félicien Champsaur. – No. 8, 1er Novembre 1878. – 4°. Faltblatt 4 S.

1878 war Nadar einer der bekanntesten Franzosen, einerseits als Schriftsteller, Karikaturist und Prominenten-Photograph, andererseits aber auch als Ballonfahrer. So ist er auf dieser berühmten Karikatur von Gill mit den drei Requisiten Schreibfeder, Kamera und Ballon abgebildet. Die Biographien berühmter Persönlichkeiten wurden in Buchhandlungen verkauft und kosteten 10 Centimes.

Ref.: Michèle Auer, Nadar, l'hommes aux nombreuses facettes, Buchumschlag. Krauss, Die Fotografie in der Karikatur, S. 52.

Photobibliothek.ch 12357


Die Photographie der Pariser Katakomben bei künstlichem Licht

Nadar experimentierte als einer der ersten mit der Photographie bei elektrischem Licht. Seine Abenteuer in den Pariser Katakomben beschreibt er ausführlich in seinen Memoiren «Als ich Photograph war»:

«Viermal im Jahr kann man in Paris um punkt zwölf Uhr mittag einem recht ungewöhnlichen Treffen beiwohnen, das, oft mehrere Monate im voraus von vier- bis fünfhundert Leuten, die sich untereinander nicht kennen, verabredet wurde. [...] Diese Leute gehen die Katakomben besuchen. Die diversen Amtsbehörden, bei denen sie in respektvollen Worten um diese "Gunst" angesucht haben, die von Gesetzes wegen jedem zusteht und niemandem verweigert wird, nehmen den Anlass der vier vorschriftsmässigen jährlichen Besichtigungen war, um sich der Bittsteller zu entledigen. [...]

Angefangen von den römischen Cäsaren und den normannischen Eroberern bis zu den letzten Bürgern und Bauern, deren Reste 1861 vom Friedhof Vaugirard hierhergeschafft wurden, ruht hier alles, was je in Paris lebte und starb, das gemeine Volk und die Grossen, denen es zujubelte, Heilige und Verbrecher, die auf der Place de Grève hingerichtet wurden. [...] Diese durcheinandergeworfenen Skelette sind selbst so zerstückelt und zerstreut, dass sie sich am Tag des Jüngsten Gerichts wohl nie und nimmer zusammenfinden werden. Rippen Wirbel, Brustbeine, Handwurzeln, Fussknöchel, Schlüsselbeine, Finger und Zehen, das ganze kleine Knochenzeug, wird von besonderen Handlangern, die jeweils auf ein Jahr diesem Dienst zugeteilt sind, zusammengeschaufelt und in mehr oder weniger würfelförmigen Stössen – bourrages, wie man sie hier nennt – unter den Krypten aufgestapelt und nach vorn zu, von einer Wand aus möglichst gut erhaltenen Schädeln abgestützt. Der Schönheitssinn der Arbeiter weiss die Schädelreihen und die gekreuzten Totengebeine zu verschiedenartigen symmetrischen Mustern zusammenzufügen. [...]

Ich will meine Linse dazu bringen, dass sie ohne Tageslicht "wiedergibt", was sie hier "sieht". Es ist der erste Versuch, unterirdisch bei künstlichem Licht zu photographieren, wie es sich schon in unserem Atelier bei Porträtaufnahmen aufs beste bewährt hat.»

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Nadars Atelier am Boulevard des Capucines 35

Nadars Atelier am Boulevard des Capucines 35 in Paris, um 1860.
Hier unternahm Nadar erste Versuche mit elektrischem Licht.

(Copyprint 2015)

Der Boulevard des Capucines 35 heute (Photo 2008)

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Der Eingang zu den Katakomben

L'entrée principale, ancienne barrière d'Enfer.
So sah der Eingang zu dem Katakomben 1865 aus ...
(Holzstich aus «Le Monde illustré», siehe weiter unten)

... und so 2008 (Place Denfert-Rochereau)

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Nadars Kunstlichtaufnahmen in «Le Monde illustré»

Le MONDE ILLUSTRÉ. Journal hebdomadaire. – No. 445/446, 21/28 Octobre 1865. – 2°. S. 257-288.

S. 261 und 277/278: Les catacombes de Paris. D'après la photographie faite à la lumière électrique par M. Nadar. - Nadar experimentierte als einer der ersten mit der Photographie bei elektrischem Licht. Seine Abenteuer in den Pariser Katakomben beschreibt er ausführlich in seiner Biographie «Als ich Photograph war». Die Kunstlicht-Aufnahmen wurden dann als Holzstiche in zwei Teilen veröffentlicht.

Ref.: Nadar, Als ich Photograph war, S. 85-102. Lebeck, Kiosk, S. 35 (Abb.).

Photobibliothek.ch 12459

L'Ossuaire

Une visite dans les galeries de l'Ossuaire

La porte d'entrée de l'Ossuaire

Tombeau de Françoise Gellin

La source

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Die Katakomben 2008

Wieder am Tageslicht: der Ausgang an der Rue Rémy Dumoncel 36, etwa 500 Meter vom Eingang an der Place Denfert-Rochereau entfernt


Die Photographie vom Ballon aus

Nadar unternahm Versuche zur Luftbild-Photographie seit 1858. Bei der zweiten Fahrt mit seinem Ballon «Le Géant» von 1863 fuhr er von Paris nach Hannover, wo er nur unter grossen Schwierigkeiten landen konnte. Nadar und seine Frau wurden dabei erheblich verletzt und mussten im Krankenhaus in Hannover behandelt werden.

Seine Fahrten beschrieb Nadar in «Mémoires du Géant» und in «Le droit au vol». Noch 1863 wurde die «Société d’encouragement de la navigation aérienne au moyen du plus lourd que l’air» gegründet, mit Nadar als Präsident und Jules Verne als Sekretär. Das Ziel dieser Gesellschaft war es, den Bau von Flugmaschinen zu fördern, die im Gegensatz zu Ballons schwerer als Luft waren, dafür aber gesteuert werden konnten.

Nadar wurde zu Jules Vernes Vorbild für die Romanfigur Michel Ardan (!) in seinen Romanen «De la terre à la lune» und «Autour de la lune». Die berühmten Holzstiche in der illustrierten Ausgabe von Hetzel zeigen unverkennbar den Photographen Nadar als Michel Ardan mit seinen Gefährten inklusive Hund und Fernrohr schwerelos herumschweben.

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Nadars Ballonfahrt nach Hannover in der Karikatur

Le JOURNAL ILLUSTRÉ. Revue de l'Année. – No. 46, 25 Decembre 1864 au 1er Janvier 1865. – 2°. S. 361-368.

Im Jahresrückblick auf S. 365 «L'intrépide Nadar»: Der Holzstich (12,5 x 7,5 cm) zeigt Nadar mit Kamera im Ballonkorb und im Text heisst es: «Nadar est assez content du roi de Hanovre et très-satisfait du roi des Belges. Les autre monarques attendant un bon point du célèbre aéronaut, qui se propose, avec hélice aérienne, de visiter les clochers de tous les châteaux souverains...». Am 18. Oktober 1863 war Nadar mit seinem Ballon «Geant» auf dem Hoheitsgebiet des Königs von Hannover schwer verunfallt. Im September 1864 landete der wieder genesene Nadar mit dem «Geant» in Brüssel zur Feier der Unabhängigkeit Belgiens.

Photobibliothek.ch 11675

 L'intrépide Nadar (Der kühne Nadar)

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Nadars Ballonfahrt nach Hannover nach eigener Schilderung

Mémoires du Géant. / Par NADAR. Avec une instruction par M. Babinet. – Deuxième édition. – Paris: E. Dentu 1865. – 8°. S. I-XX, S. 21-439, Frontispiz (Falttafel). Hln.

Das Frontispiz (Falttafel) zeigt den bekannten Holzstich vom Absturz des Riesenballons «Le Géant» bei Hanover: Der vom Sturm über den Boden geschleifte Ballon, im Hintergrund ein vorbeifahrender Zug mit Dampflock, flüchtende Pferde und Schafe...

Photobibliothek.ch 12771

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«Das Recht aufs Fliegen»

Le droit au vol. / NADAR. – Erstausgabe [noch ohne Vorwort von George Sand]. – Paris: J. Hetzel 1865. – Kl.8°. [4], III, 115 S. Privat-Pbd. mit eingebundenem Original-Krt.-Einband.

Nadar war nicht nur der bekannteste Photograph Frankreichs und Pionier der Luftphotographie. Er war auch überzeugt davon, dass ein Flugapparat «schwerer als Luft» möglich ist. Deshalb gründete er nach seinem Flug mit dem Ballon «Géant» die «Societé d'Encouragement du Plus lourd que l'air».

Ref.: Nadar, 1979, Bd. 1, S. 38, Bd. 2, S. 915 ff u. S. 1286.  Claude Malécot, George Sand - Félix Nadar, 2004, S. 86. – Zustand: Seltene Erstausgabe (Nadar, 1979: «2e éd., mention fictive»)

Photobibliothek.ch 1218

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Nadars Reise um den Mond

Autour de la lune. / Par Jules VERNE. 44 dessins par Emile Bayard et A. de Neuville. Gravés par Hildibrand. – [Erste illustrierte Ausgabe.] – Paris: Bibliothèque d'éducation et de récréation J. Hetzel o.J. [16.9.1872]. – 4°. [4], 180 S. mit Holzstichen. Grüner Leineneinband mit Gold- und Blindprägung «Bouquets de roses». – (Les voyages extraordinaires)

Die Holzschnitte zeigen unverkennbar den Photographen Nadar als Michel Ardan (!), der Jules Verne's Vorbild für die Romanfigur war. Auf Seite 65 der wohl berühmteste Holzstich, der Nadar bzw. Ardan mit seinen Gefährten inklusive Hund und Fernrohr schwerelos herumschwebend zeigt. - «Autour de la lune» ist die Fortsetzung von «De la terre à la lune» und diese sind wiederum ein Teil der Reihe «Les voyages extraordinaires». Alles erschien bei Hetzel, aber die Identifizierung der Ausgaben ist ausserordentlich kompliziert. Für «Autour de la lune» gilt: Erstdruck in «Le Journal des débats politiques et littéraires» 4.11.-8.12.1869; erste Buchausgabe (ohne Illustrationen) 13.1.1870; erste illustrierte Ausgabe 16.9.1872. Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um eben diese absolut erste sogenannte «Bouquets de roses»-Ausgabe. - Besitzervermerk von 1874 auf fliegendem Vorsatz.

Ref.: TA 24.3.2005, S. 53 (Abb. Holzstich).

Photobibliothek.ch 12339

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Nadars Erinnerungen «Als ich Photograph war»

Quand j'étais photographe. / NADAR. Préface de Léon Daudet. [Titelbild nach einer Lithographie «Nadar élevant la photographie à la hauteur de l'art» von Honoré Daumier.] – [Erstausgabe.] – Paris: Ernest Flammarion [1900]. – Kl.8°. VIII, 312, [1] S. Broschur illustriert.

Handschriftliche Widmung Nadars auf dem Schmutztitel: «[A Armand Dayot bien cordialement,] mon petit dernier... Nadar, Paris, mai [19]05.» Armand Dayot (1851-1934) war ein bekannter französischer Kunsthistoriker und Kritiker. Der erste Teil der Widmung ist durch Kringel unleserlich gemacht; heute kann dieser Teil jedoch problemlos gelesen werden, da die überschreibende Tinte stärker ausgebleicht ist als Nadars Tinte.

Photobibliothek.ch 15167

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Denkmal für die erste Luftbild-Photographie von 1858 im Tal der Bièvre

1990 stand das Denkmal zur Erinnerung an Nadars erste Luftbild-Photographie neben einer ziemlich heruntergekommenen Esso-Tankstelle

«En 1858 dans cette vallée de la Bièvre Nadar réussit
la première photographie aérienne du monde»
«Stèle érigée en hommage a Nadar par le Musée de la Photographie
et le Photo Club du val de Bièvre»


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